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Erlebnis in einem Berliner Impfzentrum

Erlebnis in einem Berliner Impfzentrum

 

"Am 11. April 2021 habe ich morgens um 9 Uhr den Impftermin in der sogenannten Arena.Auf der Straße vom S Bahnhof zum Impfzentrum sind Leute unterwegs. Wollen die zum Impfzentrum oder zur Arena? 

Jede Menge Ordner mit gelb leuchtenden Westen sind plötzlich zu sehen.

Weiter vorn sehe ich Menschen in einer Schlange stehen. Erst als ich näher komme, bemerke ich, dass die Menschenschlange vom Hinweisschild auf das Impfzentrum bis zu einem Tor reicht, das ganz anders aussieht, als ich im Internet gesehen hatte.

Es ist 8:30 Uhr, das Impfen beginnt erst 9 Uhr, die Schlange ist schon ziemlich lang und es ist kalt und nass. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich anzustellen und die Füße zu bewegen, damit sie nicht zu kalt werden...

Nach einer Viertelstunde gibt es eine Bewegung nach vorn. Ein riesiges Tor öffnet sich. Vielleicht kann ich jetzt bald rein

und habe es dann ein bisschen wärmer? Doch es stockt wieder. Ich stehe draußen, sehe die vielen ankommenden Taxis

mit gehbehinderten Menschen, die von herumwimmelnden Helfern abgeholt und zu einem anderen Eingang gebracht werden,

ich stehe, friere und warte. Endlich ist es 9 Uhr. Jetzt ist die Schlange so weit in der Halle verschwunden, dass auch ich hinein gelange. Der direkt an der Eingangstür stehende Helfer fragt, ob ich mir denn die Hände schon desinfiziert hätte.

Als ich bejahe, schickt er mich zu einem Kollegen mit einer andersfarbigen Weste, der meine Temperatur messen soll.

„Schauen Sie bitte dort zu Wand“, sagt dieser, damit er das Ding vor mein Ohr halten kann und innerhalb von 2 Sekunden scheint sicher zu sein, dass ich kein Fieber habe und nun zu einem Kollegen von der Bundeswehr wechseln kann, der zu dem Temperaturmesser sagt, er solle ein auffälliges Bild an die Wand pinnen, damit die Leute beim Fiebermessen von allein dort hin schauen. Dieser Bundeswehrkollege (ohne Weste) sitzt an einem Tisch, will meine Papiere und meinen Ausweis sehen und schickt mich weiter zu einer bestimmten Person mit einer bestimmten Weste. 

Das ist der Taschenkontrolleur: „Darf ich bitte in Ihre Tasche schauen?“ fragt er, und ich sage: „Das müssen Sie ja wohl...“

Er schaut nur kurz, dann scheint er schon sicher, dass sich nichts Böses in der Tasche befindet und schickt mich zur nächsten Person, die er mir zeigt: diese nächste Person ist dabei, eine ganze Reihe von Menschen in einen Gang zu bitten, während andere sich erst einmal vorn am Eingang auf einen Stuhl setzen sollen. In dem Gang werde ich von einer Person mit wieder einer andersfarbigen Weste (es heißt immer: „Gehen Sie bitte jetzt zu meiner Kollegin / zu meinem Kollegen mit der grünen / gelben / orangen Weste!“) zu einem Anmeldungsplatz gewiesen. Jetzt sitze ich einem jungen Mann gegenüber, der hinter einer Plexiglas Scheibe mit meiner Anmeldung beschäftigt ist. Er braucht meinen Ausweis, die Anmeldungspapiere und den Impfausweis. „Der ist ziemlich witzig“, sage ich und ziehe den 60 Jahre alten, leicht lappigen grauen DDR-Impfausweis aus meiner Tasche, auf dem mein Geburtsname und meine Anschrift aus der Zeit von 1963 bis 1969 aufgedruckt ist. Dann bemerkt er, dass ich (so wie es in den Papieren erbeten wurde), den Anamnesebogen bereits ausgefüllt habe. Es gäbe aber bereits einen neuen veränderten Anamnesebogen, den er jetzt mit mir noch einmal durchgehen müsse. Das geschieht, indem er meinen ausgefüllten Bogen nimmt und alles abschreibt und die gefragten Entscheidungen ankreuzt. Ich muss alles unterschreiben. Dann gibt er mir die Einwilligungserklärung, den Anamnesebogen, meinen alten Impfausweis, den neuen Impfnachweiszettel in gleicher Größe wie mein Impfausweis (die Menge der Impfpapiere erhöht sich auf 12) und schickt mich zur nächsten Kollegin mit Weste, die setzt das Weiterschicken fort, so dass ich mich nun an einer Ecke befinde, wo ich wiederum zu einer Kollegin mit andersfarbiger Weste und noch einmal zu einer geschickt werde, von der ich in die Kabine 6 gewiesen werde. Dort werde ich von einer Schwester (?), die meint, sie sei nur die Schreibkraft und einem Arzt, der die Impfung vornehmen soll, empfangen. Die beiden bitten mich, den Arm frei zu machen und verschwinden erst einmal. Ich sitze also mit einem nackten Arm (mir ist vom draußen Rumstehen immer noch kalt) auf dem Stuhl, habe auf der gegenüberliegenden Seite Einblick in mehrere gleichartige Kabinen mit Ärzten und Personal und Impfung erwartenden Menschen. Dazwischen befindet sich ein Mittelgang mit Tischen, an welchem junge Soldatinnen die Plasteschalen auswischen, um die Impfungen dort vorbereitend hineinzulegen. Nach einer Weile kommt der Arzt zurück, ein freundlicher älterer Herr (ist er vielleicht schon im Ruhestand?) und schaut sich nun meinen Anmeldebogen an, der gerade von dem Kollegen neu ausgefüllt wurde. - „Sie stillen?“, fragt er mich erstaunt. „Nein“, sage ich ebenso verwundert.

„Aber das haben Sie angekreuzt“, erklärt er, und ich sage noch einmal: „Nein“ und: „Das habe nicht ich angekreuzt, den Bogen hat der Kollege von der Anmeldung ausgefüllt und angekreuzt.“ - „Wann sind Sie denn geboren?“, will der Arzt jetzt wissen. Ich antworte: „1960“ und überlege dabei, ob ich vielleicht das Stillen über die Menopause hätte ausdehnen können, wenn ich es niemals unterbrochen hätte. Der Arzt braucht einen Stift, um das falsche Kreuz zu beseitigen. Mehrere Hilfskräfte suchen und bringen schließlich einen ganzen Packen Stifte, von denen ihm einer genügt. Dann scheint alles zu stimmen, er nimmt eine Spritze, piekst sie mir in den linken Oberarm und zieht sie wieder heraus. Ein Pflaster wird die Schwester darauf kleben. Der Arzt sagt, ich solle noch eine Viertelstunde da bleiben, für alle Fälle, dann dürfe ich gehen. Zwei Kolleg*innen in leuchtenden Westen sind noch mit meinen Papieren beschäftigt, dann geben sie mir diese und schicken mich heraus aus der Kabine, den Gang entlang zur nächsten Kollegin mit Weste, die mich auch wieder weiter schickt. Schließlich bin ich kurz vor dem Ausgang. Jetzt werde ich von dem zuständigen Kollegen mit Weste gebeten, mich auf einen bestimmten Stuhl zu setzen. – Ob ich vorher noch auf Toilette gehen könne, frage ich. Ja, das könne ich, die sei dort vorn. Wieder heraus aus der Toilette denke ich, dass ich mich doch auch in die Stuhlabteilung gleich hier vorn hinsetzen könnte und die Viertelstunde abwarten, ob ich keinen Impfschock bekäme. Da sitzt außer mir gar keiner. Es dauert nicht lange, da kommt eine besorgte Kollegin mit Weste und fragt, ob sie mir etwas zu trinken bringen könne. Als ich verneine, weist sie mich darauf hin, dass hier nur die Leute sitzen, die auf ein Taxi warten. Ich dürfe aber sitzen bleiben. Ich denke, muss ich denn wirklich die Viertelstunde hier sitzen und warten? Dann wäre erstmal meine S- Bahn weg. Wenn ich gleich gehe, kriege ich sie noch. Ich entschließe mich, gleich zu gehen. Draußen sehe ich, dass die Schlange der Wartenden unterdessen noch länger geworden ist. Es ist kurz vor halb zehn Uhr. Meinen nächsten Impftermin habe ich mir für um 10 Uhr geben lassen. War das ein Fehler? Stehe ich beim nächsten Mal auch so weit hinten ... ? Mit diesen Gedanken gehe ich zur S-Bahn, schaue unterwegs prüfend auf die Uhr, wann die Viertelstunde herum ist und ob ich noch lebendig bin oder drohe, durch einen Impfschock umzufallen, aber alles bleibt ruhig, und ich fahre wieder nach Hause."

 

Bettina Dusdal

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